Quelle: info.kopp-verlag.de, Peter Orzechowski
Jahrtausende lang galt Meditation als spirituelle Praxis des Fernen Ostens. Vor 40 Jahren wurde sie als Ausstiegsdroge für Hippies verunglimpft. Heute beschäftigt sich die Wissenschaft mit dieser Konzentrationsmethode – und ist jetzt zu verblüffenden Ergebnissen gekommen.
Meditation wird in vielen Religionen und Kulturen seit alters geübt und gepflegt. Der Begriff weist ja bereits in diese Richtung: Das lateinische Wort »meditatio« bedeutet »Nachdenken über« und auch »zur Mitte ausrichten« (von lateinisch medius = mitten). Durch Achtsamkeits- oder
Konzentrationsübungen soll sich nach diesen hauptsächlich indischen und fernöstlichen Traditionen der Geist beruhigen und sammeln. Dabei sollen Bewusstseinszustände erreicht werden, die mit Begriffen wie »Stille«, »Leere«, »Eins-Sein«, »im Hier und Jetzt sein« beschrieben werden.
Aber – und jetzt sind wir im 21. Jahrhundert – in jüngster Zeit hat sich die Wissenschaft der Meditation angenommen und zum Teil verblüffende, aber kaum von der Öffentlichkeit wahrgenommene Ergebnisse zustande gebracht. Seit etwa zehn Jahren beschäftigt sich zum Beispiel das Bender Institute of Neuroimaging der Universität Gießen mit der Frage, wie sich Meditationstraining auf die Funktion und Struktur des Gehirns auswirkt.
Meditation vergrößert das Gehirnvolumen
Ulrich Ott und Britta Hölzel vom Bender Institute untersuchten über Jahre die Technik der Achtsamkeitsmeditation. Dabei fokussiert der Meditierende auf seine Empfindungen, die im gegenwärtigen Augenblick spontan auftreten. Diese Ausrichtung auf das Hier und Jetzt verhindert ein Wegdriften in Erinnerungen und Grübeleien. Die unter Aufsicht der Forscher meditierenden Probanden berichteten, dass sie durch die Übungen mit ihrer Aufmerksamkeit und ihren Gefühlen kontrollierter umgehen, dass sie Körperempfindungen sensibler wahrnehmen, dass sie intensiver (er-)leben.
Die Wissenschaftler stellten fest, dass durch die Wiederholungen beim Meditieren die Strukturen im Gehirn verändert werden. Britta Hölzel berichtet: »In mehreren Studien haben wir in den letzten Jahren die neurologischen Prozesse untersucht, die diesen Veränderungen zugrunde liegen. Die Ergebnisse dieser Studien untermauern die Feststellung, dass das mentale Training zu Verbesserungen kognitiver Funktionen führt und mit Veränderungen in der Architektur bestimmter Hirnareale einhergeht.«
Hölzels Kollegin Amishi Jha von der University of Pennsylvania zeigte in mehreren Versuchsreihen, dass Meditierende ablenkende Störreize ausblenden lernen und sich damit besser konzentrieren können. Eine der Hirnregionen, die diese Aufmerksamkeitsfunktion unterstützt, ist der so genannte anteriore cinguläre Cortex. Durch wiederholtes Üben kann diese Region regelrecht trainiert werden. Zu diesem Ergebnis kamen Jha und Hölzel unabhängig voneinander.
Die erstaunlichste Erkenntnis dieser Forschungen war jedoch, dass Meditierende eine deutlich höhere Konzentration grauer Substanz in verschiedenen Hirnarealen aufweisen. Als »graue Substanz« wird die Schicht im Gehirn bezeichnet, in der unter anderem die Zellkörper der Nervenzellen lokalisiert sind. Eine dickere Schicht beziehungsweise eine größere Konzentration an grauer Substanz verbessert die jeweilige Funktion des Hirnareals. Hölzel und ihre Kollegen fanden Effekte besonders im insulären Cortex, in dem Signale aus dem Körperinneren repräsentiert werden, sowie im Hippocampus. Dieser spielt eine herausragende Rolle für das Langzeitgedächtnis und – als Teil des Limbischen Systems – für die Emotionen. Auch im orbitofrontalen Cortex, der für das Regulieren von Emotionen zuständig ist, fanden die Wissenschaftler Veränderungen. Hölzel: »Löst etwa eine Situation bei einem Menschen normalerweise Angst aus, dann ist es diese Region, die daran beteiligt ist, wenn der Betreffende lernt, auf die gleiche Situation eine andere, positive Gefühlsreaktion zu entwickeln.«
Meditation gegen Demenz und Alzheimer?
Meditieren lässt die graue Substanz in einigen Hirnregionen wachsen. Das führt – nach den bisherigen Forschungen – zu höherer geistiger Flexibilität. Im Alter lässt diese geistige Beweglichkeit nach. Grund ist vermutlich, dass die graue Substanz im vorderen Teil des Hirns zurückgeht. Bedeutet das, dass mit Meditation dieser Schwund aufgehalten werden kann? Sara Lazar von der Harvard Medical School behauptet genau dies. Mit ihren Untersuchungen zahlreicher langjähriger Meditierender hat sie herausgefunden, dass die typische altersbedingte Abnahme der frontalen Großhirnrinde bei ihnen ausgeblieben ist. Britta Hölzel bestätigt diese Erkenntnisse: »Auch am Massachusetts General Hospital in Boston nehmen wir derzeit Studien zum protektiven Effekt von Meditationsübungen auf das alternde Gehirn vor. Die bisher vorliegenden Ergebnisse lassen vermuten, dass ein regelmäßiges Training überlieferter Meditationstechniken tatsächlich einer kognitiven Verschlechterung im Alter entgegenwirken kann.«
Entspannung pur
Schon vor diesen bahnbrechenden Untersuchungen hatten Wissenschaftler gemessen, dass sich im meditativen Zustand die Hirnwellen verlangsamen. Die Folge: Der Herzschlag beruhigt sich, die Atmung wird tiefer, die Muskelspannungen lösen sich. Meditation wird seither in der Therapie zum Abbau von Stress und Bluthochdruck eingesetzt.
Michael Murphy und Steven Donovan hatten bereits Ende der 80er Jahre über 1200 veröffentlichte Forschungsergebnisse über die Wirkung der Meditation verglichen und diese Studien in dem Buch The Physical and Physiological Effects of Meditation: A Review and Comprehensive Bibliography 1931-1988 zusammengefasst. Allein über den Einfluss von Meditation auf den Blutdruck zitieren sie 20 Studien. Eine Untersuchung von Schülern der Transzendentalen Meditation hat gezeigt, dass Meditation folgende Symptome beseitigen kann: Geschwüre, Asthma, Allergien, Kopfschmerz, Akne, Übergewicht, Spannungen. Andere Meditationsforscher hatten genaue Untersuchungen über Selbstbewusstsein, Kreativität, Anschauungen und Flexibilität durchgeführt.
Danach hat Meditation einen positiven Einfluss auf die Fähigkeit zu Konzentration und Reaktion – was jetzt ja auch von Hölzel und anderen noch einmal bestätigt wurde. Sie erhöht Selbstakzeptanz, Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein. Sie schafft Zufriedenheit und verbessert emotionales Wohlgefühl. Sie stimuliert Kreativität, Denkvermögen und körperliche Kraft. Zusammenfassend kann man sagen, dass Meditation eine der kraftvollsten Selbstheilungstechniken ist. Sie schafft körperliches, mentales, emotionelles und spirituelles Gleichgewicht.
Das Wesen der Meditation
Meditation ist eine Form von Selbsthypnose. Hypnose ist eine Technik, die das Bewusstsein oder den rationalen Teil unseres Gehirns stilllegt. Wir können Meditation auch beschreiben als Funktion von Gehirnwellen. In der normalen bewussten Funktion arbeiten die Beta-Gehirnwellen. Wenn wir unsere Augen schließen und beginnen zu meditieren, werden die Alpha-Gehirnwellen aktiv. Die Delta-Gehirnwellen sind der Zustand tiefster Meditation. Es kann viele Jahre Praxis erfordern, um eine solche Tiefe zu erreichen. Diese Ebene der Meditation ist bei Mönchen in Klöstern oder Gurus der östlichen Hemisphäre zu finden.
Fangen Sie noch heute an!
Damit dieser Beitrag nicht in der Theorie stecken bleibt und Sie in den Genuss der positiven Wirkung von Meditation kommen, habe ich Ihnen im Folgenden eine kurze Einführung in die Technik zusammengestellt.
Für einen Anfänger ist es wichtig, einen ruhigen Ort zu finden, um die ersten Meditationsübungen durchführen zu können. Die wichtigsten Regeln sind, eine bequeme Haltung einzunehmen und den Atem fließen zu lassen.
Setzen Sie sich mit aufrechtem Rücken hin. Setzen Sie sich entweder auf den Boden mit überkreuzten Beinen (Lotussitz) oder in einen Sessel mit beiden Füßen auf dem Boden. Legen Sie Ihre Arme mit den Handflächen nach oben in Ihren Schoß (wenn Zeigefinger und Daumen sich berühren, wird der Kreislauf der Körperenergie geschlossen) und schließen Sie die Augen. Finden Sie eine bequeme Haltung, damit Sie längere Zeit entspannt sitzen können. Sie sollten nicht müde sein (sonst schlafen Sie ein) und nicht gegessen haben (unbequem).
Konzentrieren Sie sich als Erstes auf Ihren Kopf. Werden Sie Ihr Kopf. Sie denken nur an Ihren Kopf. Gehen Sie in Ihren Kopf und summen Sie den Selbstlaut »I« (wie in »Kissen«). Fühlen Sie die Vibration des »I« in Ihrem Kopf.
Leiten Sie als Nächstes Ihr Bewusstsein nach unten. Wenn Sie bei Ihrem Hals angelangt sind, summen Sie den Selbstlaut »E« (wie in »leer«). Fühlen Sie, wie das »E« in Ihrem Hals schwingt.
Konzentrieren Sie sich dann auf Ihre Brust und summen Sie den Selbstlaut »A« (wie in »ja«). Öffnen Sie das »A« und fühlen Sie es in der Brust.
Nun können Sie in Ihren Bauch gehen und den Selbstlaut »O« summen (wie in »Hypnose«). Fühlen Sie, wie sich das »O« in Ihrem Bauch ausbreitet.
Zuletzt richten Sie Ihr Bewusstsein auf Ihr Geschlecht und summen den Selbstlaut »U« (wie in »du«). Lassen Sie das »U« Ihre Genitalien erfüllen.
Sie können diese Übung mehrere Male wiederholen, indem Sie jedes Mal wieder beim Kopf beginnen.
Wichtige Elemente der Meditation
Der erste Schritt der Meditation ist, sich auf den Atem zu konzentrieren. Finden Sie beim langsamen Ein- und Ausatmen Ihren Rhythmus. Fühlen Sie, wie die Luft in Ihre Nase eindringt und in die Tiefen der Lunge fließt. Atmen Sie durch den Mund aus und hören Sie, wie die Luft in beide Richtungen fließt. Bemerken Sie Gefühle und Kribbeln. Sie können diese Übung so lange Sie wollen durchführen, da sie von der linken Gehirnhälfte wegführt. Konzentration und Fokus halten Gedanken auf Distanz.
Ein weiteres Mittel, um das Geplapper des Verstandes abzuschalten, ist ein Mantra. Ein Mantra kann irgendein Wort oder Satz sein, das den Verstand zerstreut und ihn beruhigt. Die alte Tradition des Schafezählens vor dem Einschlafen wäre somit bei einiger Phantasie auch ein Mantra. Ein Wort oder einen Satz immer wieder zu wiederholen, ist ein Mantra. Versuchen Sie es mit den Wörtern »Liebe« und »Friede«. Wiederholen Sie das Mantra immer wieder.
Eine weitere Spielart der Meditation ist die Visualisierung. Wie beim Atmen und dem Sprechen eines Mantras ist der Sinn der Visualisierung Ablenkung. Je mehr Sie sich auf eine Vision konzentrieren und fokussieren, desto weniger bemerken Sie das Plappern der linken Gehirnhälfte. Bleiben Sie in den frühen Stadien der Meditation bei einer simplen Visualisierung. Visualisieren Sie zum Beispiel das Blut in Ihren Adern und stellen Sie sich vor, wie es seine Farbe von rot bis violett verändert. Konzentrieren Sie sich auf Formen und Farben, die vor Ihrem geistigen Auge erscheinen.
Rapid Meditation (RM) – Wundertechnik aus den USA?
Pragmatisch wie immer entwickelten amerikanische Therapeuten eine neue Herangehensweise an die Meditation. Was nützen all die mittlerweile erwiesenen Vorteile, wenn keiner die Zeit zum Meditieren findet, fragten sie. Daraus entstand die Richtung der »Rapid Meditation« (Schnell-Meditation). Ziel ist dabei, die Augenblicke des Wartens im Alltag (an der Verkehrsampel, vor der Kasse im Supermarkt, im Wartezimmer usw.) umzuwandeln in Momente des Fokussierens.
Und hier kommt der neue Ansatz dieser Methode: Fokussieren – zumal schnelles – ist immer abhängig von der Art und Weise, wie wir die Welt wahrnehmen. Mein eigener Hypnoselehrer, Dr. Bernie Welan, hat vier Grundarten der Wahrnehmung unterschieden: sehend, fühlend, hörend oder intuitiv. Jeder Mensch hat eine der vier Weisen, in denen er am liebsten und am schnellsten wahrnimmt.
Visuell veranlagte Menschen sollten sich demnach in der RM ein geistiges Bild vorstellen oder sich in einen Punkt, den sie vor sich sehen, versenken. Fühler sollten sich auf ein gerade auftauchendes Gefühl konzentrieren oder auf einen Körperteil, in dem sie dieses Gefühl spüren. Menschen, bei denen das Hören im Vordergrund steht, sollten sich einen Gedanken, ein Mantra oder eine Affirmation im Geist vorsagen (und sich dabei zuhören!). Intuitiv Veranlagte lassen am besten ihren Verstand schweifen, wohin er will, und sollten lediglich beobachten, wohin er sie führt.
Welan und andere sehen in diesem Zuschnitt der Meditationstechnik auf die Veranlagung des Meditierenden den bestmöglichen Zugang zu den wohltuenden Effekten einer geistigen Übung, die längst aus dem mystischen Dunkel asiatischer Aschrams aufgetaucht ist und heute von der Wissenschaft als Jungbrunnen für das menschliche Gehirn betrachtet wird.
Literatur:
- Dalai Lama: Die Essenz der Meditation. Praktische Erklärungen zum Herzstück buddhistischer Spiritualität. Heyne, München 2005
- Mircea Eliade: Yoga: Unsterblichkeit und Freiheit. Insel, Frankfurt 2004
- Jon Kabat-Zinn: Gesund durch Meditation. Das große Buch der Selbstheilung. Das grundlegende Übungsprogramm zur Entspannung, Stressreduktion und Aktivierung des Immunsystems. Fischer, Frankfurt 2006
- Claudio Naranjo und Robert E. Ornstein: Psychologie der Meditation. Fischer, Frankfurt 1976
- Harald Piron: Meditation und ihre Bedeutung für die seelische Gesundheit. Oldenburg 2003
- Sakyong Mipham: Wie der weite Raum. Die Kraft der Meditation. dtv, München 2005
- www.faz.net/hirntraining